Wenn du eine Apotheke, Behörde oder einen Laden mit Servicetheke betrittst, schaust du dich als erstes nach einem Nummerlapp-Automaten um.
Alles der Reihe nach. In Schweden stellt man sich ohne rum zu moppern in Schlangen an. Das Sich-vorbeimogeln ist verpönt. Ein beliebtes System um das Anstehen effizient und reibungslos ablaufen zu lassen ist das Aufstellen von „Nummerzettel-Automaten“. Daraus zieht man dann entweder mechanisch oder nach Tastendruck automatisch ein Zettelchen mit Nummer, den sogenannten Nummerlapp (Nummerzettel) oder Kölapp (Warteschlangenzettel).
Nach dem ziehen eines Nummerlapps hat man zwei Möglichkeiten:
- Man schaut sich im Laden etwas um (beziehungsweise im Arzt-Wartezimmer die Info-Poster zur Anti-Antibiotika-Kampagne an).
- Oder man starrt so lange auf die schwarze Digitalanzeige mit den roten Ziffern bis die angezeigte Zahl mit der auf dem gezogenen Zettel übereinstimmt.
Das Ändern der roten Ziffer wird häufig mit einem relativ unsympathischen „Di-dööö“-Sound begleitet.
Kurioses Verhalten anstehender Schweden
Unwissenheit wird bestraft
Auch unter den netten Schweden gibt es, wenn auch vielleicht nicht schwarze, aber durchaus gräuliche Schafe wenn es um das Schlangestehen geht. Eine Situation die regelmäßig in schwedischen Läden mit diesem Wartesystem vorkommt: Ein Schwede betritt den Laden, ein zweiter kommt direkt dahinter rein. Der erste schaut sich etwas desorientiert um während der zweite zielorientiert auf den Automaten zuschreitet und bei erreichen genüsslich die nächste Nummer abreißt. Inzwischen bemerkt der erste, dass er etwas getrödelt hat und zieht die nachfolgende Nummer. Das führt nicht selten dazu dass der Vordrängler, der eigentilch „nach dem Kölapp-Gesetz“ keiner ist, nun doch plötzlich von Schuldgefühlen heimgesucht wird, das wiederum führt meist dazu, dass während des Aufenthalts im Laden jeglicher Augenkontakt mit dem Nummerlapp-Versäumer vermieden wird. In einigen Fällen zwischenmenschlicher Wärme bietet der Zettelstreber dem Zögerer an die Zettel zu tauschen. Mir sind sowohl der Ignorant als auch der Tauschwillige schon mehrfach begegnet. :)
Lieber zweimal auf den Nummerlapp gucken – oder fünfmal
Menschen mit Nummerlapp in der Hand scheinen nicht ganz ihrem Kurzzeitgedächtnis glauben zu wollen.
Zieht man beispielsweise die Nummer 23 und als nächstes beim nächsten wird erst die Nummer 18 bedient, schaut man beim nächsten „di-dööö“ auch dann auf die Digitalanzeige wenn man eigentlich genau weiß, dass man noch lange nicht dran ist.
Mach‘ ich leider auch regelmäßig. Geht dir vielleicht genauso, oder?! :)
Hier stehen die Zettelautomaten
Die Schweden haben das System so liebgewonnen, dass sie es überall da einsetzen wo es nur irgendwie möglich ist. Es soll sich schließlich in dem nach Gerechtigkeit strebenden Schweden keiner benachteiligt fühlen.
Wenn du in Schweden bist, halte Ausschau nach Nummerlapp-Automaten, unter anderem in diesen Bereichen:
- Behörden
- Apotheken
- Krankenhäusern/Ambulanz
- Bahn-Info-/Ticketschalter
- Elektroläden
- Lebensmittelläden mit Bedienung an der Theke
- und Schmuckgeschäften
- und an allen anderen Ort sonst irgendein persönlicher Service angeboten wird
Warum ich das System praktisch finde:
Mit dem Kölapp in der Hand kan ist man nicht gezwungen sich physisch hinter die anderen Wartenden anzustellen, man kan die Gelegenheit und Zeit nutzen sich im Laden umzuschauen ohne permanent ein Auge auf die später hereinkommenden Kunden zu halten und denen durch eindeutige Körperhaltung und Gesten mitteilen dass man vor ihnen dran ist.
Dauert es mal ein wenig länger hat man eventuell sogar Zeit um im Nachbarladen die neue Schuhmode für die nächste Saison anzuschauen, dort braucht man übrigens in der Regel keine Wartezettel ziehen.
Mein erster Kontakt mit dem Nummerlappautomaten
Während meiner anfänglichen Zeit in Schweden wollte ich in einem Uhrengeschäft eine Batterie auswechseln lassen. Da mir das Nummerlapp-System an solcher Stelle unbekannt war, ging ich hinein und achtete lediglich auf die Person die vor mir in der Schlange bedient wurde. Als die Bedienung die nächste Person aufrief indem sie auf einen Knopf eine rote Digitalanzeige auf die nächste Nummer umschalten ließ und die nachfolgende Person zum Schalter schritt wurde mir klar, dass ich mich beim nächsten Besuch – egal in welchem Laden – auch als erstes nach einem Nummerlapp-Automaten umsehen sollte.
Es ist mir aber auch danach einige Male passiert, dass ich einen Köautomat übersehen habe. In mehreren Fällen haben mir freundliche Schweden trotzdem den Vortritt gelassen.
„Zettelstreber“, haha, Superwort, ich bin begeistert! Meine Schlangesteherfahrungen habe ich ja in „Verliebt in Schweden“ verarbeitet. Bei mir war es die Post.
„eine geregelte Reihenfolge ist doch wunderbar“ – einfach ein Ticket ziehen und schon weis man wann man an der Reihe ist.
Die >>Deutschen<< sollten doch nur einmal ihr Gehirn-Eprom einschalten – wenn sie eins haben !
Pleas take a Ticket ist doch ein alter Hut und sollte auch bei uns in Deutschland überall dort eingesetzt werden wo Menschen – bedient – braten und behandelt werden.
Ein Aufrufsystem zeugt von Achtung vor dem Mitmenschen und schafft eine geregelte Bedienreihenfolge. Gleichzeitig kann ich mich mit einem Ticket in der Hand frei bewegen und weiter informieren.
Mit besten Grüßen
josef peter rupp