Duzen in Schweden – Wie man Schweden richtig anspricht (Bloß nicht siezen!)

Hej Sweden - Angela Merkel, Fredrik Reinfeldt, Photo: BundesregierungOnline / Guido Bergmann

Anredeform „Du“ in Schweden

Wie spricht man die Menschen in Schweden richtig an? Wer sollte geduzt werden und wer lieber nicht? 

Guten Tag, Herr Professor Müller! Könnten Sie mir bitte weiterhelfen?”, ungefär so würde es sich anhören, wenn man einen Professor in Deutschland nach einer Vorlesung anspricht um ihn um Hilfe zu bitten. In Schweden ist das ganz anders. Der Professor wird geduzt und mit dem Vornamen angesprochen: “Hej Stig, könntest Du mir bitte weiterhelfen?“
Ob am Schalter in der Bank, an der Kasse im Supermarkt, beim Arzt oder wenn dich der Polizist zur Alkoholkontrolle anhält, in Schweden wirst du geduzt und mit dem Vornamen angesprochen, auch dann wenn du noch nie zuvor ein einziges Wort mit der Person gewechselt hast.

Für die Deutschen anfangs merkwürdig

Wer als Deutscher zum ersten mal nach Schweden reist mag den Eindruck bekommen, ganz Schweden sei ein Land im permanenten “Robinson Cluburlaub”-Zustand – überall wird wild herumgeduzt. Manche mögen sich vielleicht denken “Haben die Schweden denn keinen Respekt voreinander?”. Das ist definitiv nicht der Fall. Die Schweden gehen miteinander trotz oder vielleicht auch gerade wegen des allgemeinen Duzens respektvoll und freundlich miteinander um – die Kommunikation ist barrierefreier.

Was zunächst ein wenig befremdlich für Deutsche Touristen und Austauschstudenten wirkt stellt sich jedoch als sehr angenehm und praktisch heraus. Die teils lästige Frage “Wie soll ich diese Person jetzt ansprechen?”, wenn man zum Beispiel eine E-Mail schreibt oder eine Person, die einen akademischen Titel hat, anspricht, fällt einfach weg.

Buch über Schweden - Schweden für Anfänger

Auch am Telefon melden sich viele Schweden (wenn sie Anrufe an ihre private Nummer beantworten) oft nur mit dem Vornamen “Det är Linnéa” (Hier ist Linnéa).

Der Staatsminister wird ebenso mit dem Vornamen angesprochen wie der Taxifahrer oder der Vorstandsvorsitzende von Volvo

In Schweden sind die Hierarchien im Allgemeinen flach. Das wird durch das allgemeine Du unterstrichen. Es ist einfacher auf Leute zuzugehen – es scheint eine unsichtbare Barriere zu verschwinden wenn man fremde Menschen duzt und sie dich zurückduzen.

Solltest du auf Stockholms Straßen einmal Angela Merkels schwedischen Amtskollegen, Fredrik Reinfeldt treffen, wird sich keiner wundern wenn du ihn mit einem freundlichen “Hej Fredrik!” ansprichst.

Ausnahmen – „Wie geht es der Kronprinzessin?“

Allerdings gibt es auch in Schweden Ausnahmen von der Du-Regel. Nämlich wenn man mit Mitgliedern des schwedischen Königshauses redet. Sie sollten lieber nicht geduzt oder mit dem Vornamen angesprochen werden. Stattdessen spricht man sie in der dritten Person an, zum Beispiel: “Wie geht es der Kronprinzessin?” oder “Wünscht der König noch eine Tasse Kaffee zur Zimtrolle?”.

Wenn es einem trotzdem passieren sollte, dass man den König duzt, wie vor einiger Zeit von Reporter im Interview geschehen, wird man selbst zum Gegenstand von medialer Berichterstattung.

Warum die Schweden duzen – die „Du-Reform“

Noch Anfang der 60er Jahre wurde in Schweden genauso gesiezt und die Menschen wurden mit dem Nachnamen angesprochen wie es bei uns Deutschen noch heute der Fall ist.

Bror Rexed, Direktor der nationalen Gesundheitsbehörde

Wie kam es also dazu dass plötzlich das komplette schwedische Volk eine alltägliche Umgangsform änderte?
Ende der 60er wurde das Siezen als kallt und distanziert empfunden. Die Anwendung des Dus wurde als demokratischen Ausdruck angesehen.

Mitte der 60er Jahre wurde bereits in der Tageszeitung Dagens Nyheter (das schwedische Äquivalent zur deutschen FAZ) das Du angewendet. In offiziellem Zusammenhang wurde das Du im Jahr 1967 von Bror Rexed, dem Direktor der nationalen Gesundheitsbehörde, in seiner Behörde eingeführt.

„Auf keinen Fall!“

Zum Schluss noch eine persönliche Erfahrung: Auf dem Weg zu den Eltern einer Freundin habe ich sie gefragt ob ich die Eltern mit dem Nachnamen ansprechen könne, in dem Glauben dass ich damit besondere Höflichkeit ausdrücken würde. Die Reaktion der Freundin war sehr direkt und deutlich “Auf keinen Fall!” mit der Begründung “Das macht keiner – es würde sehr merkwürdig wirken und ist eher unhöflich.” Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Diesen Kulturunterschied muss man als Deutscher erstmal verdauen, dass es unhöflich sein kann eine Fremde Person nicht zu siezen mit „Herr“ oder „Frau“ sondern direkt mit Vornamen anzusprechen.

Was ebenfalls merkwürdig ist, wenn man als Deutscher nach längerer Zeit in Schweden andere Deutsche trifft, “Soll ich den jetzt lieber siezen oder nicht?”.
Ich schlage vor wir duzen uns einfach… :)

Was hältst du vom Duzen in Schweden?
Wie fändest du es wenn man das allgemeine Du und das Ansprechen mit dem Vornamen auch Deutschland einführen würde?
Schreibe deine Meinung unten ins Kommentarfeld!

Auch interessant

15 Gedanken zu „Duzen in Schweden – Wie man Schweden richtig anspricht (Bloß nicht siezen!)“

  1. ich habe überlegt, eine entsprechende Petition an das EU-Parlament zu schicken. Die offizielle Einführung des "Du" ist längst überfällig. Wenn es mindestens eine allgemeine Empfehlung und dazu eine Anweisung für die Behörden gäbe, könnten wir mit dem Rumgeeiere und dem falschen Respekt schlussmachen. Jeder darf aber auch gerne selber mutiger werden! Was kann man dabei schon verlieren? Und es gibt mehr GesinngungsgenossInnen als wir denken. Und die anderen sollen sich ein wenig bewegen!

    Antworten
  2. Das Duzen wie in Skandinavien, Holland und den Vereinigten Staaten macht alles in der zwischenmenschlichen Beziehung viel leichter und unkomplizierter. Für Deutschland und die Schweiz wäre es ein Segen.

    Antworten
    • Stimme dir vollkommen zu, Herbert! Glaube auch, dass es das Miteinander angenehmer und freundlicher macht wenn man das Duzen einführt.

      Antworten
    • In den Niederlanden wird nicht nur geduzt. Als Kellner sage ich immer Sie (u/uw) zu den Kunden. Auch Lehrer auf der Schule werden meist mit Sie angesprochen.

      Antworten
      • Precies, Tom. Das ist so eine blödsinnige gängige Meinung, dass man reinschlagen möchte, wenn wieder einer davon anfängt. Beim Restaurantbesuch und in den meisten Geschäften werde ich mit „u“ angeredet, Ausnahmen sind Läden für ein hipperes und trendiges Publikum und manchmal auch in Stripwinkels, weil man da eher unter Gleichgesinnten ist.

        Antworten
    • Holland und Du ist Blödsinn, wie Tom schon schreibt, und für Amerika und England gilt das auch nicht, denn wenn ich mit Mister oder Sir angesprochen werde, dann meint der Sprecher anschließend das „You“ auch als „Sie“, aber nicht als „Du“.

      Antworten
  3. Hej alla tillsammans!

    ich kann das mit dem Du in Schweden nur bestätigen: in Stockholm war es auf alle Fälle so: ein nettes Hej, Hej in fas jedem Laden und das Du.
    Nun habe ich aber eine Frage:
    Kann es sein, dass auf der Suche nach Mailbekanntschaften die Schweden etwas weniger geneigt sind, E-Mails zu beantworten? Ich habe zumindest in dem einen oder anderen Forum mal den einen oder anderen Schweden angeschrieben und kein einziger antwortet??? Die Anrede im Mailverkehr: ebenfalls mit Du, nachdem es sich ja ja durchgängig um keine Mitglieder des Königshauses handelte (Das mit der 3. Person bei Mitgliedern des Königshauses: interessant, sprich: wusste ich so auch noch nicht….!!). Oder habe ich da halt schlicht und einfach bis jetzt Pech gehabt? Oder möchten es die Schweden vielleicht nicht, wenn man im Mailverkehr versucht, sich in Schwedisch auszudrücken, obwohl ich in Stockholm genau das Gegenteil empfunden habe: Nämlich Anerkennung für die Mühe, sich in deren Sprache auszudrücken, a là: Du har lärt dig mycket snabbt, bra (du hast (aber) schnell gelernt…)
    Wenn der eine oder andere antwortet (und ich vielleicht länger nicht mehr in diesem Forum bin: schon jetzt vielen Dank für die Antwort(en)) und

    många hälsningar

    Kurt

    P.S.: ich werde aber auf alle Fälle wieder hochfliegen…; habe mich – glaube ich – ein wenig in dieses Land verknallt (schon bei meinen Recherchen für einen evtl. Immobilienkauf im Vorfeld), obwohl ich ja bis jetzt wirklich „nur“ Stockholm gesehen habe, und von dieser Stadt bislang „nur“ ein wenig „Gamla Stan“, Museumsinsel / Djurgården und dann ging es auch schon wieder zurück.

    Antworten
    • Hej Kurt,
      Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar.
      Die Anrede im Mailverkehr mit Du ist richtig. Ich habe im schwedischen Mailverkehr noch nie eine Nachricht verschickt und den Empfänger mit dem Nachnamen angesprochen. Dass einige Schweden auf Mails nicht antworten ist nicht unüblich. Besonders, wenn man die Person nicht so gut kennt wird diese schon mal über eine Mail übersehen. Ich empfehle Kontakt telefonisch aufzubauen (noch besser: persönliches Treffen) und dann kann man via Mail weitermachen. Die meisten Schweden kommunizieren privat aber eher via Messenger (Facebook) oder SMS. E-Mail ist eher üblich für die Arbeit.

      Lesetipp: Was Schweden wirklich meinen wenn sie „ja“ sagen

      Antworten
  4. Hej Matthias,

    danke für deine Antwort und sorry, dass ich erst jetzt darauf reagiere, was ich aber ja bereits angedeutet habe (dass das vielleicht dauern könnte) und deinen Tipp: „Was Schweden wirklich meinen wenn sie ja sagen“, na…..
    …also den schau ich mir doch gleich mal an.

    Tack för ditt svart,
    många hälsningar och

    Hejdå

    Kurt

    (ich hoffe, das war so richtig….)

    Antworten
  5. Welchen Grund sollte es geben, jemanden zu duzen, den man noch nie im Leben gesehen hat?
    Ich duze Freunde und Verwandte, weil dies ein Ausdruck von Nähe ist. Andere sagen dazu, das Siezen sei ein Ausdruck von Distanz. Das kann man, muss man aber nicht so sehen.
    Frauen sollten nur geduzt werden, wenn man mit ihnen verwandt ist, ihnen das Du angeboten wurde oder mit ihnen im Bett war Punkt. Zu welchen Konsequenzen es führt, wenn – wie bei vielen Showgeschäft-Leuten – die Distanz nicht mehr da ist, zeigt uns doch die „Me-Too“-Debatte!
    Lasst doch die Finger weg von diesem „modernen“ Kram

    Antworten
  6. Hallo,
    Ich finde das „Du“ in Schweden ebenso entspannt wie passend. Ich wage aber zu bezweifeln, dass sich das so einszueins auf Deutschland übertragen lässt. Nur die Anrede von „Sie“ auf „Du“ zu ändern macht noch keine flachen Hierachien und ändert noch lange nicht die Einstellung zu respektvollem Umgang.

    Antworten
  7. Hej på er!

    Intersannte Diskussion welche ich mehrmals mit deutschen freunden gahabt habe.

    Dass duetsen in schweden ist interessant, da ich und viele meine Kollegen sowohl deutsch als schwedisch sprechen sind wir mit den unterschiedlichen Umgangsformen bekannt.

    Was ich interessant fühle ist daß wenn ich schwedisch spräche sind wir alle per Du aber wenn wir deutsch spräche weiß ich genau wem ich per Du und wem ich per Sie anschpreche.

    Antworten
    • Hallo Kalle! Interessante Observation, die du da gemacht hast. Kenne ebenfalls das Gefühl, wenn man Deutsche auf Schwedisch oder English duzt und es dann plötzlich etwas komisch zögerlich wird sobald man ins Deutsche wechselt. Besonders mit älteren Leuten oder Personen in geschäftlichen Situationen.
      Vielen Dank für deinen Kommentar! Ha det fint! :)

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.